Tagebuch eines mitturnenden VaKi-Vaters

Gossau 30.Sept. 2012

K (wie Kränzli) minus 6 Monate: Urs fragt in die Runde, ob wir am Kränzli mitmachen. Klar sagen wir, ohne die Konsequenzen zu bedenken.

K Minus 3 Monate: Nach einem komischen Traum frage ich meine Frau, ob die Eltern auch auftreten. Klar sagt sie, ich schlucke kurz, aber gut, zugesagt ist zugesagt, wird schon nicht so schlimm sein. Schauen da viele Leute zu? frage ich weiter. Ja, und wir treten mehrmals auf, hätte die Nachbarin erzählt. Ich wische mir eine kleine Schweissperle von der Stirn. Habe ich ein passendes Outfit? Soll ich mich noch rasch im Fitness anmelden?

K minus 5 Wochen: Urs präsentiert unser Lied für die Vorstellung, ein richtiger Ohrwurm, das Lied vom Bus. So verbringen wir diese Turnstunde damit, Busbewegungen zu imitieren und unsere Kinder durch die Gegend zu schieben.

K minus 4 Wochen: Urs schickt uns via web das Programm. Jenstes mal üben, Hauptprobe und drei Auftritte. „Läck mier, das wird ja e Tournee, bin doch nöd d’Madonna!“ Die nächsten zwei Turnstunden verlaufen ähnlich wie die letzte, allerdings wird jetzt auch noch Choreographie verlangt. Hat nicht genau Ende September eine Tante Geburtstag, welche ich schon lange nicht mehr besucht habe? Die Kinder schlagen sich gut, die Erwachsenen bleiben im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Auf dem Heimweg läuft mir immer das Buslied nach, krieg ich wahrscheinlich nie mehr aus dem Kopf.

K minus 3 Wochen: Urs sucht Freiwillige zum Kartonbusse malen. Schicke meine Frau, muss an meiner Figur arbeiten.

K minus 2 ½ Wochen: auf dem Heimweg sehe ich, dass überall im Dorf Plakate vom Kränzli den Anlass ankündigen. Muss man denn das so an die grosse Glocke hängen? Wie ging jetzt die Choreo schon wieder?

K minus 1 ½ Wochen: in der Turnstunde üben wir gefühlte 23 Mal den Ablauf, wir sollen auch noch alle miteinander fertig sein. Gahts no ? Profis üben dafür jahrelang ... Das Lied ist aber auch extrem lang, mind 2 ½ Minuten (bestimmt die Maxi-Version). Beim Heimlaufen gehe ich in Gedanken die Bewegungen durch, muss ich jetzt gegen den Uhrzeigersinn laufen oder mit ? Das kann sich doch einer allein nicht alles merken. Kurzfristig kriegt man sicher noch Flugtickets nach Timbuktu.

K minus 3 Tage: Wir dürfen die leere Arena besichtigen, so müssen sich die Gladiatoren gefühlt haben. Wo kommen die Löwen raus? Wir schieben die Busse übungshalber wie wild übers Parkett, wenn das nur gut geht. Geht es und vor lauter Konzentrieren sehe ich die paar Zuschauer im Saal gar nicht. Scheint doch nicht so schlimm zu sein. Und wenn mir am Kränzli die Hose runterrutscht ? Vielleicht Opas geerbte Hosenträger aktivieren...

K minus 1 Tag: Hauptprobe. Jetzt gilt es schon richtig ernst, höchste Konzentration. Es läuft wie eine Hauptprobe laufen muss, unser Bus ist so störrisch wie ein Einkaufswägeli, Gopfriedstutz ! Ich gehe mit gemischten Gefühlen heim. Kann nachts kaum einschlafen, das Buslied dreht in meinem Kopf Endlosschlaufen: wüsch, wüsch, wüsch, huup, huup, huup, stund-de-lang.

K minus 2 Stunden: Wir essen gemütlich znacht als wär nichts.

K minus 30 Minuten: Wir ziehen uns um und an, satteln die Drahtesel und radeln richtung Arena.

K minus 5 Minuten: Wir stellen uns auf und nerven Urs noch echli mit blöden Fragen. Im Dunkeln warten wir das Intro ab, der Puls ist etwas erhöht. Ein Glas Rotwein hätte vielleicht was gebracht. Dann wird der Vorhang gezogen und wir sprinten mit unseren Gefährten los, als wärens die Bobweltmeisterschaften. Die vielen Gesichter im Publikum sehe ich kaum, es ist dunkel und ich konzentriere mich auf den Ablauf. Kreise drehen, ohne ein Kind zu verlieren, in der Mitte Fahrerwechsel, Schluss gemeinsam, winken. Tosender Applaus ... Puuh das ging super, niemand verletzt, kein Zusammentütschen. Erleichtert stehen wir den Bühnenhelfern im Weg rum, welche uns mit genervten Blicken versehen. Umziehen und ab, die kleinen Artisten ins Bett bringen. Doch noch ein Glas Wein zum abschalten. Morgen ist die gleiche Leistung gleich zweimal gefragt.

K mittendrin: Mittagessen und dann ab zur Altrüti, etwas verspätet, da das Laufrad plötzlich einen Platten hat. Kurz vor Beginn machen wir noch eine kleine Änderung ab, ob das alle mitgekriegt haben ? Schon etwas routinierter düsen wir auf Kommando auf die Bühne und spulen unser Programm ab, als wärs das 100. Mal. Wiederum viel Applaus, Abgang und Umziehen. Danach geniessen wir noch das ganze Programm als Zuschauer.

K Abschluss minus 30 Minuten: Kinder wach halten, regentauglich verpacken und nach dem Znacht aufs Velo schnallen. Urs gibt noch letzte Infos, dann stellen wir uns auf. Die Bühnenhelfer sehen heute entspannter aus, scheint bisher gut gelaufen zu sein. Das Zeichen kommt und los geht’s zum letzten Mal für diese Saison. Eltern und Kinder geben ihr Bestes, alles klappt reibungslos. Wir geniessen den Applaus, der Aufwand hat sich gelohnt, nächstes Jahr sind wir wieder dabei. Hat Spass gemacht, danke Urs !

... Aber dieses Lied vom Bus, wann werde ich das bloss wieder los ?
Tsché Scherer

Gruppenfotos